kein stadtwald für greifswald
die natur ist
überall, und so
kann es
in ihr kein heimweh
oder ein
gefühl
der fremde geben.
wenzel
ich sitze in der kneipe, satellitenstadt
römisch zwo, nahe des wohnheims. die stadt schläft ihren gespenstischen traum.
nur einige unbeirrbare grölen leise. trinken schlechtes, schaumloses bier. jim
hawkins glotzt.
wieder so ein kongreß in der kleinstadt.
und manchmal schlägt es schon, das herz. wenn der zug in den zugigen bahnhof
einfährt. und der blick von der eisernen brücke. auf die eisernen ladies. auf
die eisernen lords extra. ist ein blick auf die konstanz allen seins.
erinnerungen an das gestern. fröhliche studentenzeit. frühe freunde. bekanntes,
vertrautes in jeder mauerritze. seminare neben dem universitäts-gebäude. aula?
kenn ich nicht. aule kenn ich. literaturgeschichte im miniformat. aus der sicht
des punktes der blick auf den text. lebensgeschichten, lebenslügen. wer kann es
sich schon leisten, nur im erinnern zu leben. das verkrustet das denken.
fröhliche studentenzeit. als alles noch heil war. scheinbar. subjektivistische
geschichtssicht. wir aber brauchen klaren blick nach vorn. das optimistische
lächeln in der brust das fröhliche schlagen unserer herzen.
wütend trinke ich mein bier. hier, fast
direkt an der ostsee entsteht die zweite sozialistische großstadt der ddr. erst
danach werden wir daran gehen, leipzig neu zu gründen. fort mit den trümmern
und was neues hingebaut.
trau niemandem, der von früher erzählt.
ich geh noch ein letztes mal in gedanken
meinen gang über den schuttabladeplatz der geschichte in der straße der
freundschaft. wann schon werde ich heimkehren. nights in white satin krieg ist.
in dieser stadt. wie oft in den träumen. inmitten der dunkelheit. schreie hilfe-rufe.
bauzaungäste. kein stiller protest. kein rauch steigt vom dach auf. keine
blitze zucken, nur die muskeln. kein donner grollt. keine granaten implodieren.
irgendwo eine bildröhre. kein bild sollst du dir machen. alles ist ruhig. die
waffeln schweigen. keine vögel zerschellen an den mauern. es gibt fast keine
mehr. es ist krieg in der stadt. wie oft in gedanken. alles ist ruhig, nur ein
paar leute schreien doch noch um hilfe. tote leuchtreklamen hängen pendelnd im
wind. jemand ist in einen krater gestürzt. hat sich wehgetan. jemand will ein
krankenauto rufen. jemand lacht. jemand wimmert. jemand träumt. die straße ist
kaputt. no paseran. wo kommen die bomben her. die zeitbomben. hörst du sie
ticken. durch die altersschwachen mauerreste der stadt. hinterm bauzaun.
häuschenweis reißt die zeit lücken. kariöse weltsicht. wer sprach schon von
krieg.
wer die vergangenheit nicht kennt, ist
dazu verurteilt, sie zu wiederholen. wen holen wir wieder. keine bombe fiel.
wir erinnern uns dunkel. an die vergessenen
gassen. an die verborgenen kneipen längst habilitierter kommilitonen. das
universitätsgebäude. davor ein großes loch. häschen in der grube saß und schlief
die stadt zu schutt. oder: dornröschen im elfenbeinturm. und die väter dieser
stadt. hättens retten können. mit einem kuß. märchen. jugend zwischen beton.
aber der schlaf der vernunft gebiert ungeheuer viel krater. die löfflerstraße
gibts nicht mehr. wann nur sterben die letzten steine? bei meinem nächsten besuch?
nach dem nächsten kongreß?
es ist dunkel. kein mond scheint neu mond.
werwölfe heulen. wessen stille dröhnt. wer hülfe zu stillen wen. morgen grauts.
ein neuer tag. morgen sehen wir die wunden bei tag. da hat es dem architekten
einen preis eingehandelt. gegen die reisefreiheit der ghettokinder. da wird der
unglückliche aus dem krater längst fort sein. die wunden der stadt. und
landesväter gegen bürger. weil im letzten krieg nichts zerstört, nun dies. wann
sterben die hoffnungen. wie. der tod ist lang. das leben. aber wir verleben es.
in der kraterstadt. über den wolken. muß die freiheit wohl krenzenlos sein.
über den wolken. wo. erinnerungen lügen. weckt uns nicht auf. weckt uns ein.
und die gerüchte kreisen. die geier der
hoffnung.
zerträumt der traum vom wald für die city -
vor dem universitätsgebäude steht bald ein shopping-center. damit sie auch
morgen noch kraftvoll einkaufen können. wo werden wir bäume pflanzen. mitten im
zentrum. ein wald. greifzumwald. bürger.
während ich dies schreibe, in dieser
kleinen kneipe in der satellitenstadt römisch II schreit einer herüber: was
schreibst du, du wichser. schreib meinen namen auf. jim hawkins. du
arschficker. schreib auf! da will ich ihm sagen, ach ihr, habt den krieg
verdient in eurer stadt. aber die ungeheuer sind so tot nicht, aber die angst.
ich zahle meine zeche, schweige und geh.
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