Weimar, Theaterplatz
Gegenüber dem
Nationaltheater – in einem Pavillon – präsentiert die Stadt die
Bauhausausstellung. Ich stehe vor einer Vitrine nahe dem Eingang. Mein Blick
fällt auf ein Faksimile aus dem Jahre 1919. Es ist eine bittere Beschwerde über
die nationalistische und antisemitische Stimmung in dieser Stadt, in der die
Bauhaus-Gründer Gropius, Itten und Co. eine freie Denkfabrik der Kunst
erträumten, die sich massiv gegen Lehrer und Schüler des Bauhauses richtete.
Gerade war die
Weimarer Republik gegründet worden. Die Hetzjagden begannen und führten
schließlich dazu, dass die Schule nach Dessau umzog. Der Geist der
Ewiggestrigen aber blieb. Hier führte die NSDAP 1926 einen ihrer ersten Parteitage
nach der Neugründung durch. Hier wurde der Ettersberg gerodet und ein
Konzentrationslager gebaut. Dieses Lager taufte man "Buchenwald". Und
als es befreit wurde 1945 schickten die Alliierten die Bewohner der Stadt durch
das Lager. Unbegreifliches sahen sie. Leichenberge. Zu Skeletten abgemagerte
Menschen in Häftlingskleidung. Unten, auf dem Theaterplatz standen Goethe und
Schiller.
1987 fuhr ich mit Schülerinnen und Schülern in diese Stadt.
Es machte den Halbwüchsigen, die gerade die Jugendweihe gefeiert hatten, nichts
aus, in den ehemaligen SS-Baracken auf dem Ettersberg zu nächtigen, die nun zu einer Jugendherberge
umgewidmet worden waren. Wir entdeckten die Gegend rund um das Lager und ließen
uns auf einem Hügel nieder. Eine scheinbar unschuldige Gegend unweit des Quartiers. Nur wurde ihnen mulmig, als sie erfuhren, dass Tausende und
Tausende Menschen den Stalinschen Terror im selbigen Lager nicht überlebt und direkt
unter ihnen, dort wo sie saßen und schauten, verscharrt worden waren. Nichts ist, wie es scheint.
Und wir als am Abend des 20. April in der Weimar-Halle die
Neonazis öffentlich feiern sahen und hörten, das Heil-Rufen und die erhobenen
Hände, meldete sich der Widerstand in uns. Einige Mädchen wurden zu laut, so
dass die auf der Empore uns drohten. Nachdem wir die Halle verlassen hatten,
begann ihre Hetzjagd. Zehn, vielleicht zwölf der Feiernden folgten und trieben
uns durch die dunkel gewordene Stadt. Wir nahmen nur die Beine in die Hand und
flohen in den bereit stehenden Bus, fuhren in die SS-Baracken. Am nächsten
Morgen war jeder Hügel für meine Schülerinnen und Schüler ein Leichenberg.
Lange Zeit.
Die Ortsgruppe hat Zeichen gesetzt zu den diesjährigen Europawahlen, sehe ich. An den Laternen prangen ihre Plakate, schön ordentlich, alle in derselben Höhe. Fünf Plakate der NPD, dann fünf Plakate der FDP, dann fünf Plakate der NPD.
Wer glaubt an Zufälle in dieser gespaltenen Stadt.
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