Stadt meiner Wunden
Sie spie mich aus am kalten Frühlingsmorgen
gespenstisch grau der Himmel war
Die Seestadt schien sich Licht zu borgen
ich griff vor Schrecken in der Mutter Haar.
Die Frische Grube führte trübes Wasser
darauf der Rettungsring sanft kreiselnd schwamm
und auch das Boot des Nosferatu, das er
vertäut am Ufer, wie am Pflock ein Lamm.
Es grüßten zärtlich Wismars aufgerissne Wunden
Sankt Georgs Leib, zerbombt, der Turm
Mariens ein Phallus, körperlos, die Stunden
schlagend wie ein Puls, die Uhr. Ich Wurm
fühlt' schuldig mich vor diesen beiden
und vor der Welt, die mir beharrlich schwieg.
War dieses Elend, dieser Tod, nicht zu vermeiden?
Und sah dass eine Taube in den Himmel stieg.
Oh, Deutschlands Tauben steigen wieder
wie vor den Kriegen in die Sphären auf
und Murnau putzt geduldig sein Gefieder
Jetzt, Nosferatu, nachtgesichtig, sauf
mein Blut und zeige mir die Schatten
der stillen Stadt, die du blutleer gemacht.
Die Toten defiliern mit uns vorbei an satten
Bürgern, Fahnen drehen sich zur Macht.
(8.1.89)