Montag, 28. April 2014

aus: Von der kindhaften Farbe des Rittersporns



dir dir

mein schatten ist eine sanduhr und der berg
wird immer gewaltiger
und begräbt mich zur nacht
und meine stimme quäkt dünn
aus meiner burg aus meinem bauch
J'apelle les amours. les amants.
wer will mich schon hören.

mai 90
motiv: paul valery

Freitag, 25. April 2014

Soave

Soave im Sommer 2011

 Soave liegt zwar nicht in der Toskana, aber es könnte schon passen:



in den träumen toskanas vergessen
was ursprung liebe traurigkeit ist
unter flachen ziegeldächern
hinter grauweißen mauern ruhn
in grünfarbnen quellen
die seele baden den leib:
was liegt schon hinter uns
vor uns das nichts stiller nacht.




Ein Traum aus Toskana


orpheus' italische symphonie


in den träumen toskanas verlaß ich die seele gebadet
und grau liegt in uns 's leichentuch freiheit
silbrig trocknen die trauernden aus und zeigen nur schatten
dornbestückt, kahlgeschorenen grinsens erkaltet
gefangen – sonnsüchtig - kehr ich mich um gegen gelben himmel
geradenwegs über die serpentinen meines seelenbergs
fällt sonne herab und braune brunnenaugen
glühn aus über bergen, unserem alb, dem wunder
aus traum und tod mach ich mich rar zwischen uns
und wieder uns gegen schlaf, dem schaf, wölkchen am baum
wandle ich dich atem des meers vergeßlichen augs.

der orgasmus der agave kündet den tod des gedankens.

schaumgebeugte wellen der last fliegen ins nichts
die träume toskanas: für mich bleibt der platz
unter pinien im sanft geschnittenen klee eines abhangs
für mich hüpf in lichter in gängeln der massen ins nächtlang
schlendern für mich staub zu staub im scheine des monds
überm weg im scheine der sterne in tränen des tags
im scheine der scheine: mein herz ist ein hai
und flieg mir fort - traum in zypressen - mit wässrigem bauch
im traum aus stein träum ich toskana und davids amor auch
seine marmorne haut und den staub auf den zehn
denk ich die welt und dank ich der welt ein wenig
älter und weicher atmen die leichen am weg.
in den träumen toskanas verlaß ich die seele gebadet und grau.


(für Guntram)

Donnerstag, 24. April 2014

aus: schneezu (2013)



Namloser Winter

               
Die bäume haben ihr laub lang verlorn
’s auge erinnnrung hängt nicht in den zweigen
Wo schneezu und traumlos begierden verdorrn
Und spatzen zwitschern zwischen dem schweigen.

Kein daunenblick, der mir, dem liebenden galt
In tavernen des südens und hinter den sternen
Mein ruf ist verendet im illusionsleeren wald
Ein ruf nur zum mond, zum sommer, dem fernen.

Ich träum meine trauer in kälte hinein
Und lausche dem klang verwitterter orte
Der bauch braucht nahrung von vollmondschein
Mir bleiben ruinen verdorrender worte.

Mittwoch, 23. April 2014

Der Stein Asel

Der aselsche Stein

LASS UNS HEUTE NOCH, sagte jemand, über billy bragg reden. Und ich fühlte: Wieder so ein abend, zwischen den mauern und stimmen. Wieder so ein abend, der das sinnliche aus rotweinflaschen nährte (und dieses bild von der amme und von den brüsten. Und dieses bild). Ein leben nebel. Ein nebel leben. Und ich fühlte eine unendliche müdigkeit. Eine, die, ich ahnte es nur, nicht aus der müdigkeit des fleisches herrührte, sondern aus der müdigkeit der seele kam. Warum, verdammt, kroch nur die müdigkeit aus dem bauche, über den rücken, der allmählich zu schmerzen begann, hin in den kopf?
Indien-Indianer. Die stadtindianer füllten die gläser. Einer, so ein bärtiger, von dem ich glaubte, Ihm irgendwann in meinem leben schon einmal begegnet zu sein, schwelgte im erinnern des KAMASUTRA.
Und ich wusste plötzlich, dass Er damals noch keinen bart getragen hatte, auf dem feld der genossenschaft: Da waren steine, groß wie felsen, die wir, die vierzehnjährigen, die sich einige groschen verdienen wollten, allein nicht zu bewältigen glaubten. Und damals, in jenem frühjahr, als die welt uns noch in der ordnung erschien, die fehler der zukunft  noch nicht ahnbar waren, damals, als die macht unsere gewohnheiten noch nicht erobert hatte, als das wort noch unschuldig gewesen, das wort zweier halbwüchsiger, jeder an einem ende des steins (- oh, sysyphus! - und nur der stein zwischen uns); hatte ich das erstemal so ein herzklopfen, das mir fremd, aber angenehm war. Und ich fühlte eine leichtigkeit und ein staunen, welche das sammeln von steinen gewöhnlich nicht hervorbrachte, mir's dieses mal zu erträglichen last, ja, lust werden ließ. Das sammeln von steinen. Ein banaler, geradezu profaner vorgang. Nutzlos wie nichts auf der welt. Aber mir sangen die vögel, mir schien die sonne, mir klangs wie musik in meinen ohren, sanft getragen von einer wolke wurde der stein zum luftschloss.
Und mit vereinter kraft hatten wir beide den jungen felsen auf den hänger geworfen. Und dieses lächeln danach. Ein erkennendes lächeln. Ein lächeln, das uns forttragen sollte über das staubige feld an den weidenumrahmten pfuhl, den wir teich nannten, denn es gab damals nur teiche und seen und das meer: für einen see zu groß, für einen teich zu klein, rest einer zeit, als das eis vom norden her über die landschaft gezogen war und tiefe löcher in die haut der erde gerissen hatte beim zurückweichen vor jener kraft, die auch ich fühlte in diesem moment: wärme, galt uns der pfuhl als ruhige insel inmitten des meers aus staub  und steinen und ockerfarbener erde. Auf seinem wasser spiegelte sich der himmel, die zweige der weiden hatten zartes grün angesetzt und tanzten über den winzigen wellen im wind. Und wir waren, für einen moment nur, allein auf der welt.
Und vielleicht ist es nur die erinnerung gewesen an jenem abend, da ich Ihn wiedersah, solange zeit nach dieser pause am pfuhl, als jenes glücksmoment, das man liebe nennt, geboren ward', dass ich jenen moment aus samuel eins erinnerte, in dem es heißt: GEHE HIN, SUCHE DIE PFEILE! david sich aber hinter dem stein asel versteckte vor saul, des jonathan vater. So gehe hin, suche die pfeile: Das suchen nach dem moment des vergangenen, des eigenen. Und so hieß dieser stein, den wir vor grauen zeiten bewältigt und hinter dem wir uns versteckt hatten, in meiner erinnerung der aselsche. Und der junge war ein mann geworden und hatte in jenem augenblick seine kindheit verloren. Und diese liebe lag nun begraben unter dem stein, irgendwo zwischen den hügeln, nahe den salzigen wassern der see.
Dass ich Seine angenehme, ruhige stimme gerade hier vernahm, in der verräucherten bude, mehr als fünfundzwanzig jahre nach diesem frühjahr auf diesem feld der genossenshaft, die nun nicht mehr existierte, ließ für einen kleinen moment nur jenes herzklopfen wieder in mir entstehen, für welches die worte ihre unschuld verloren hatten. Und die ruhe, die einen augenblick später wieder über mich kam, überraschte mich nicht. Ich gab mich nicht preis. Ich hatte gelernt aus den fehlern dieser jahre. Und ich glaube, ich hörte Ihm gern beim reden zu. Und das KAMASUTRA war zu einer mauer erstarrt, die uns in unserer verräucherten bude umgab.
(1992)

Dienstag, 22. April 2014

aus: Heinrich beats the drum



die kleine welt verliebter arme
                                               wynstan hugh auden gewidmet

als ich an das ufer trat des sees und die weiden
ihre noch kahlen äste zu mir herunterbeugten
und zum eisfreien wasser traf mich der blick
eines winzigen fischleins und ich sah
keine angst, kein bangen, denn ich sah:
the lonely and unhappy are very much alive
hinter mir trat der, den ich liebe,
bis zu den knien im unrat unsrer kleinwelt
und lachte ausgiebig und schamlos und lachte:
die wasser der see haben ohren und der fisch
verschwand zwischen schlingflanzen
und leeren coca-cola-büchsen und wußte
daß ich ihm glaubte und seinem blick.