Montag, 24. März 2014

eine Geschichte von 1989, lange vergessen, nun wiederentdeckt



kein stadtwald für greifswald                                        



                           die natur ist überall, und so 
                           kann es     
                           in ihr kein heimweh oder ein
                           gefühl
                           der fremde geben.
                                                   
                                                wenzel


ich sitze in der kneipe, satellitenstadt römisch zwo, nahe des wohnheims. die stadt schläft ihren gespenstischen traum. nur einige unbeirrbare grölen leise. trinken schlechtes, schaumloses bier. jim hawkins glotzt.
wieder so ein kongreß in der kleinstadt. und manchmal schlägt es schon, das herz. wenn der zug in den zugigen bahnhof einfährt. und der blick von der eisernen brücke. auf die eisernen ladies. auf die eisernen lords extra. ist ein blick auf die konstanz allen seins. erinnerungen an das gestern. fröhliche studentenzeit. frühe freunde. bekanntes, vertrautes in jeder mauerritze. seminare neben dem universitäts-gebäude. aula? kenn ich nicht. aule kenn ich. literaturgeschichte im miniformat. aus der sicht des punktes der blick auf den text. lebensgeschichten, lebenslügen. wer kann es sich schon leisten, nur im erinnern zu leben. das verkrustet das denken. fröhliche studentenzeit. als alles noch heil war. scheinbar. subjektivistische geschichtssicht. wir aber brauchen klaren blick nach vorn. das optimistische lächeln in der brust das fröhliche schlagen unserer herzen.
wütend trinke ich mein bier. hier, fast direkt an der ostsee entsteht die zweite sozialistische großstadt der ddr. erst danach werden wir daran gehen, leipzig neu zu gründen. fort mit den trümmern und was neues hingebaut.
trau niemandem, der von früher erzählt.
ich geh noch ein letztes mal in gedanken meinen gang über den schuttabladeplatz der geschichte in der straße der freundschaft. wann schon werde ich heimkehren. nights in white satin krieg ist. in dieser stadt. wie oft in den träumen. inmitten der dunkelheit. schreie hilfe-rufe. bauzaungäste. kein stiller protest. kein rauch steigt vom dach auf. keine blitze zucken, nur die muskeln. kein donner grollt. keine granaten implodieren. irgendwo eine bildröhre. kein bild sollst du dir machen. alles ist ruhig. die waffeln schweigen. keine vögel zerschellen an den mauern. es gibt fast keine mehr. es ist krieg in der stadt. wie oft in gedanken. alles ist ruhig, nur ein paar leute schreien doch noch um hilfe. tote leuchtreklamen hängen pendelnd im wind. jemand ist in einen krater gestürzt. hat sich wehgetan. jemand will ein krankenauto rufen. jemand lacht. jemand wimmert. jemand träumt. die straße ist kaputt. no paseran. wo kommen die bomben her. die zeitbomben. hörst du sie ticken. durch die altersschwachen mauerreste der stadt. hinterm bauzaun. häuschenweis reißt die zeit lücken. kariöse weltsicht. wer sprach schon von krieg.
wer die vergangenheit nicht kennt, ist dazu verurteilt, sie zu wiederholen. wen holen wir wieder. keine bombe fiel.
wir erinnern uns dunkel. an die vergessenen gassen. an die verborgenen kneipen längst habilitierter kommilitonen. das universitätsgebäude. davor ein großes loch. häschen in der grube saß und schlief die stadt zu schutt. oder: dornröschen im elfenbeinturm. und die väter dieser stadt. hättens retten können. mit einem kuß. märchen. jugend zwischen beton. aber der schlaf der vernunft gebiert ungeheuer viel krater. die löfflerstraße gibts nicht mehr. wann nur sterben die letzten steine? bei meinem nächsten besuch? nach dem nächsten kongreß?
es ist dunkel. kein mond scheint neu mond. werwölfe heulen. wessen stille dröhnt. wer hülfe zu stillen wen. morgen grauts. ein neuer tag. morgen sehen wir die wunden bei tag. da hat es dem architekten einen preis eingehandelt. gegen die reisefreiheit der ghettokinder. da wird der unglückliche aus dem krater längst fort sein. die wunden der stadt. und landesväter gegen bürger. weil im letzten krieg nichts zerstört, nun dies. wann sterben die hoffnungen. wie. der tod ist lang. das leben. aber wir verleben es. in der kraterstadt. über den wolken. muß die freiheit wohl krenzenlos sein. über den wolken. wo. erinnerungen lügen. weckt uns nicht auf. weckt uns ein.
und die gerüchte kreisen. die geier der hoffnung.
zerträumt der traum vom wald für die city - vor dem universitätsgebäude steht bald ein shopping-center. damit sie auch morgen noch kraftvoll einkaufen können. wo werden wir bäume pflanzen. mitten im zentrum. ein wald. greifzumwald. bürger.
während ich dies schreibe, in dieser kleinen kneipe in der satellitenstadt römisch II schreit einer herüber: was schreibst du, du wichser. schreib meinen namen auf. jim hawkins. du arschficker. schreib auf! da will ich ihm sagen, ach ihr, habt den krieg verdient in eurer stadt. aber die ungeheuer sind so tot nicht, aber die angst. ich zahle meine zeche, schweige und geh.

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