Donnerstag, 20. März 2014

Frühling im Friedrichshain

Ich sitze allein im Schoenbrunn. Die Sonne scheint. Der Nachmittag bringt es auf 20 Grad. Der Friedrichshain ist voller Menschen. Auch hier sitzen sie meist paarweise an langen Biertischen.
Die Krokusse sind längst verblüht, einige Osterglocken wagen sich aus der Wiese. Der Pfirsichbaum blüht, oder ist es eine Zierkirsche. Zartes Violett oder Altrosa. Keine Ahnung, bin zu weit weg. Bratwurstgeruch. Vögel zwitschern. Die Menschen sind laut.
Vor mir unterhalten sich zwei. Ich kann ihre Stimmen hören. Aber ich weiß nicht, worüber sie sprechen. Es interessiert mich nicht.
Das Knirschen von Schritten im Kies. Gläser klirren. Die Sonne atmet aus.
Die Leute genießen nicht. Sie sind sogar in der Ruhe beschäftigt. Meistens mit sich selbst. Nur manchmal mit dem andern. Oder mit dem Gang durch den Kies.
Es gibt lange, schnelle Schritte und langsame, tippelige.
Zehn Meter von mir entfernt spielen einige Jungs Tischtennis. Ich höre das Ping Pong des Ballaufschlags. Von ganz fern die Geräusche einer Straßenbahn in ihren Gleisen.
Entschlossene, zögerliche Schritte, suchende Schritte. Unsichere Schritte durch den Kies. Eilige Schritte, die ihr Ziel kennen.
Schweigende Stimmen,  murmelnde Stimmen.
Erklärende Stimmen, suchende Stimmen.
Die Sonne sieht verschleiert aus.
Ich hasse den Friedrichshain. Will denn keiner Ruhe geben.
Ich bin allein.
Die Lampen hängen wie Damoklesschwerte über den Häuptern der Gäste. Es fällt keine Lampe hinunter. Schade.
Entschlossene Schritte wehen an mir vorüber. Die Stimmen schwirren in der Luft, verwehn. Grobes Klirren von Gläsern. Tablettgeschupse.
Ein Kinderwagen knirscht im Kies.
Eileen wird gerufen. Sie antwortet nicht.
Die Vogelstimmen werden lauter. Die Menschen auch. Wer wurde zuerst lauter.
Ich hasse knirschenden Kies. Ich hasse den Friedrichshain.

4 Kommentare:

  1. Hah! Ich kann das nachvollziehen. Aber warum zieht es einen da immer wieder hin? Oder ist es eine Hassliebe? Auf jeden Fall die Beschreibung eines typischen Friedrichshainer Frühlingstages. Gefällt mir und bitte mehr davon. Bis denne...die Nina!

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  2. Danke Nina,
    aber in den Mauerpark treibt es mich nicht ... Dort herrscht der wirkkiche Horror ...

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  3. Nikita Okanari Hallo Jascha, deine Realitaetswahrnehmung finde ich aeusserst interessant.Genauer gesagt kann ich diese in Echt nachempfinden. Natuerlich koennte ein bewusst oder unbewusst konsumierender,sich als gluecklich empfinder Mensch Dir da auch etwas entgegensetzen. Aber Fakt ist nun mal das gerade der Friedrichshain Beispielhaft fuer unsere krankhafte Konsumgesellschaft, ein wirklich bizarres Bild darstellt.Dieser Kiez ,einst so authentisch ,ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Es ist, so glaube ich zu wissen,mit meinen 34 Jahren, besser und gesuender ,sich auf seine Emfindungen zu fokussieren. Auf leeres Gerede kann man nicht lebendig reagieren und tut besser daran, nicht zuzuhören, sondern sich auf eigene Gedanken zu konzentrieren. Ich verstehe deine Sicht der Dinge. Zitat vo Erich Fromm:Der Konsument ist der ewige Säugling, der nach der Flasche schreit....Das so scheint es sind wir doch alle. Schade! Ist die Selbstsucht des modernen Menschen tatsächlich ein liebevolles Interesse an sich selbst als einem Individuum mit allen seinen intellektuellen, emotionalen und sinnlichen Möglichkeiten? Ist "er", der moderne Mensch, nicht vielmehr zu einem Anhängsel an seine sozio-ökonomische Rolle geworden? Ist seine Selbstsucht wirklich dasselbe wie Selbstliebe, oder ist die Selbstsucht nicht geradezu die Folge davon, daß es ihm an Selbstliebe fehlt?

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    1. Danke dir! Man sieht sich nur selbst, die Egoismen steuern das Verhalten. Was ist der Mensch? Ein Frühlingstag in Berlin. Auf dem Dorf ist es völlig anders. Berlin ist die Stadt der Vereinsamten. Aber wir lieben ja auch die Anonymität dieser Stadt ...

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