Donnerstag, 17. April 2014

Noch einmal Ostern (im fernen Osten)



Osterspaziergang

meiner Mutter

I
flachbrüstig und waldreich (stell ich mirs vor
dieses land: ruft der pirol?) diese gegend
bei goldap, und der schmied ruht aus von der arbeit
am ersten tag, sich stützend auf einen rechen:
meine mutter ein kind mit wippenden zöpfen
(gestern hat a. hitler ihr die hände geschüttelt)
die rennt heut schweigend (warum nur)
während tau ihre strümpfe näßt mit dem krug
in den wald und zurück (hin zur quelle,
hin zum haus) wo wildwachsende brombeeren
braunhäutige messer wetzen und ihrs antun:
der schrei, noch verhalten, das wort
unterdrückt, das schweigen gebrochen
und am hoftor der vater gestützt auf den rechen
lacht breitbeinig schallend der jungfer zu
(wieder kein mann, wieder ein jahr vorbei)
und verbindet die wunden der seele nicht.

Il
schritt um schritt auf der flucht:
das vermessen des lands mit dem schuh
gerissene wunden vernarben schlecht
und dann endlich heimat: flachbrüstig und wald
reich (dieses land kenn ich zu gut)
und sie kreißt und kreißt stößt mich aus
wie einen pfropfen (wie einen flachsknäuel)
und 's osterwasser fließt auf die fliesen
(die sonne draußen sucht im geilen gras
zerrissne schatten zerschnittne träume
zermalmte leiber zerstoßnes grün)

(um 1990)

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