Mittwoch, 16. April 2014

Mailand



MARTIN CAFÉ AM CORSO DI PORTA TICINESE


Am Tisch ein Pärchen. Von ihm sehe ich nur seinen Rücken. Anzugträger. Sie, schön, brunette, langhaarig, lockig, braunäugig, sitzt ihm gegenüber, trägt eine rot-braune Bluse mit auffälligem floralem Muster, die nicht dorthin gehört, fremd an ihr wirkt. Sie schaut ihn an. Gestik: distanziert-offen. Sein Italienisch wirkt hitzig. Er redet. Sie schweigt. Pause. Beide lassen ihre Blicke irgendwohin gleiten, wahrscheinlich auf die Füße, er redet fort. Schaut sie an. Sie weicht seinem Blick aus. Spielt mit der Bluse, streicht sie glatt. Streckt sich, dass sie größer wirkt. Eine Katze. Sie jetzt, mit halb zugekniffenen Augen und einem halb offenen Mund, setzt an und wartet, dass sie reden darf.
Am anderen Tisch ein muskulöser Schwarzer, Basecap, Bart, Muscelshirt. I'm bad! In Weiß-Signalfarben. Auf Schwarz. Tiefes amerikanisches Brabbeln weht herüber, das niemand verstehen kann. Ein Südstaatler, vermutest du. Das Mädel an seiner Seite, blond gefärbt? Rot-blondes Haar. Ein Stimmchen, zart und fordernd. Wer liebt hier wen?
Dann schwarze Straßenverkäufer: Ketten in bunt und kitschige kleine Figuren-Anhänger um den Arm geschlungen. Wolle Rose kaufe?
Abend.
In der Mitte des Platzes: Jugendliche mit Take-Away-Getränken. Eine Dreiergruppe Jungs mit Beck's-Bier in der Hand. Bis sich der Platz füllt mit Lauten, Lachen. Mit Konsonanten und Vokalen. Mit Körpern und Licht. Das Meer aus Sprache spült mich ans Ufer in die Tram.

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