einmal paris sehen und zurück II (Pigalle)
Die Überredungen! Man will einfach nur
Paris sehen. Die Leichtigkeit des Lebens erahnen. Aus alten französischen
Filmen. Die nackte Stadt. Die schlafende Stadt. Die Helden in ihr sind längst
tot. Oder zu alt für eine Hoffnung. Für einen Blick.
Der Ruch der Männer und deren einfache
Strick-Art. Da schwimmen die Illusionen auf der Seine. Fort. Davon. Das welke
Blatt treibt nie gegen den Strom. Ein Sex-Shop ist wohl gegen die Einsamkeit
gebaut. Doch du treibst heraus. Hinein zu den Männern am Tresen. Rauch.
Glimmen. Atmen. Inhalieren. Warten. Und wenn dann noch Celine Dion zu einem
27-Francs-Bier singt, gibt es nichts, was dich aufhalten kann, in die Seine zu
springen. Nachtwinde verwehn deine Spuren.
Der Ritter vom Sacre Cœur eine Stunde nach Mitternacht:
Die Metro hat Feierabend und wir einen Fußweg vor uns. Die
halbe Stadt lang. Hin zum Place de la Nation. Place du Trône einst. Der Thron längst abgebaut, auf dem sie saßen, Ludwig
und Maria Teresia. Wofür ein Dorf sterben musste vor ihrer Hochzeit.
Aber wir müssen hin. Vom Pigalle. Straight directly: Boulevard de Magenta.
Gare du Nord und Gare del Est links liegenlassend. Und auch St. Laurent und St.
Martin. In ein Kino drängen Voyeure zu Scream. Das Café nebenan pulsiert. Haut
dich einer um eine Zigarette an, nachts um halb Zwei. Bedenke den Weg, der noch
vor dir liegt. Nicht enden will die Magenta. Auf dem Place de la Republique
dann lebt die Stadt auf. Letzter Seufzer der
ewig Wachen in den Cafés und Bistros. Das Karussell am Rande ist
tot. Trauernd wehen die Standarten auf seinen Türmen in die heilvolle Nacht.
Und dir selbst wird die Brust zu eng
werden. Die Füße zu kurz, bleibt ein Trost im Halse. Lang lebe die Zeit, die
zerstörend-bewahrende, entlang dieses Platzes. Nun schon Voltaire, nicht Rue,
nein Boulevard. Tobte das Leben in
der Magenta, stürmt, lärmt es bei Voltaire. Wie
aber kommen Pariser heim in die Betten, wenn sie nicht warten wolln auf den
ersten Metrozug?
Place Robert Blum: Nun einen starken
Kaffee. Live auf der Bühne dort ein Knabe, Piaf in der
Kehle. Es singt brav mit erweiterten Augen der
Knabe von Liebe und Tod. Die Narren der Stadt vergehn sich in den Gefühlen und
Worten. Das Trällern hallt nach auf der Straße. Lauter Begleiter zum runden
Platz im Südosten der Stadt. Und stiller Rauch einer Zigarette. Ein Flüstern.
Heimzu die letzten Schritte, Place de la Nation. Endlich
28 Rue Rendez-Vous und Licht bei Jean-Claude. Nico, The Velvet Underground, faucht das Trällern des Knaben aus meinem Ohr. Nico
singt, nein, weint dich in deinen Schlaf.
(1993)
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