Sonntag, 13. April 2014

Noch einmal Paris



einmal paris sehen und zurück II (Pigalle)



Die Überredungen! Man will einfach nur Paris sehen. Die Leichtigkeit des Lebens erahnen. Aus alten französischen Filmen. Die nackte Stadt. Die schlafende Stadt. Die Helden in ihr sind längst tot. Oder zu alt für eine Hoffnung. Für einen Blick.
Der Ruch der Männer und deren einfache Strick-Art. Da schwimmen die Illusionen auf der Seine. Fort. Davon. Das welke Blatt treibt nie gegen den Strom. Ein Sex-Shop ist wohl gegen die Einsamkeit gebaut. Doch du treibst heraus. Hinein zu den Männern am Tresen. Rauch. Glimmen. Atmen. Inhalieren. Warten. Und wenn dann noch Celine Dion zu einem 27-Francs-Bier singt, gibt es nichts, was dich aufhalten kann, in die Seine zu springen. Nachtwinde verwehn deine Spuren.
Der Ritter vom Sacre Cœur eine Stunde nach Mitternacht: Die Metro hat Feierabend und wir einen Fußweg vor uns. Die halbe Stadt lang. Hin zum Place de la Nation. Place du Trône einst. Der Thron längst abgebaut, auf dem sie saßen, Ludwig und Maria Teresia. Wofür ein Dorf sterben musste vor ihrer Hochzeit.
Aber wir müssen hin. Vom Pigalle. Straight directly: Boulevard de Magenta. Gare du Nord und Gare del Est links liegenlassend. Und auch St. Laurent und St. Martin. In ein Kino drängen Voyeure zu Scream. Das Café nebenan pulsiert. Haut dich einer um eine Zigarette an, nachts um halb Zwei. Bedenke den Weg, der noch vor dir liegt. Nicht enden will die Magenta. Auf dem Place de la Republique dann lebt die Stadt auf. Letzter Seufzer der ewig Wachen in den Cafés und Bistros. Das Karussell am Rande ist tot. Trauernd wehen die Standarten auf seinen Türmen in die heilvolle Nacht.
Und dir selbst wird die Brust zu eng werden. Die Füße zu kurz, bleibt ein Trost im Halse. Lang lebe die Zeit, die zerstörend-bewahrende, entlang dieses Platzes. Nun schon Voltaire, nicht Rue, nein Boulevard. Tobte das Leben in der Magenta, stürmt, lärmt es bei Voltaire. Wie aber kommen Pariser heim in die Betten, wenn sie nicht warten wolln auf den ersten Metrozug?
Place Robert Blum: Nun einen starken Kaffee. Live auf der Bühne dort ein Knabe, Piaf in der Kehle. Es singt brav mit erweiterten Augen der Knabe von Liebe und Tod. Die Narren der Stadt vergehn sich in den Gefühlen und Worten. Das Trällern hallt nach auf der Straße. Lauter Begleiter zum runden Platz im Südosten der Stadt. Und stiller Rauch einer Zigarette. Ein Flüstern.
Heimzu die letzten Schritte, Place de la Nation. Endlich 28 Rue Rendez-Vous und Licht bei Jean-Claude. Nico, The Velvet Underground, faucht das Trällern des Knaben aus meinem Ohr. Nico singt, nein, weint dich in deinen Schlaf.

(1993)

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